Beitrag von S. am 11.07.2004
Ich finde, die Begriffe „Volljährigkeit“ und „Minderjährigkeit“ stellen eine unerträgliche Diskriminierung junger Menschen dar. Sie sollten endlich aus der deutschen Sprache verschwinden, und zwar ohne Wenn und Aber! Ich halte sie für überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Sie teilen die Menschen ein in Bürger erster und zweiter Klasse. Die Vorsilbe „minder-...“ bezeichnet immer etwas Geringerwertiges. Die Rechtswissenschaft hat damit ihren Teil beigetragen zur gesellschaftlichen Geringschätzung von Kindern. Ich bin allerdings kein Antipädagoge und gebe mich nicht der Illusion hin, man könnte ganz ohne Altersgrenzen auskommen. Man sollte sich aber wenigstens die Mühe machen, einzelne Altersgrenzen sehr viel genauer auszudifferenzieren. Es ist absurd, einem Menschen bis zu einem bestimmten Stichtag kaum einen Spielraum an Autonomie zuzubilligen, um ihn dann über Nacht als reif und eigenverantwortlich anzusehen.
Der Begriff der „Minderjährigkeit“ mag zwar als Schutz gedacht sein, er degradiert junge Menschen aber zu passiven und handlungsunfähigen Objekten. Ich bin überzeugt, das Verhältnis der Generationen wäre von viel mehr Achtung geprägt, wenn es diese beiden leidigen Gegensätze nicht mehr gäbe. Kinder und Jugendliche würden wahrscheinlich mehr Anerkennung erfahren, wenn sie nicht mit dem diskriminierenden Begriff der „Minderjährigkeit“ belegt wären. Dort wo bestimmte Altersgrenzen notwendig sind, bedarf es einer sehr viel genaueren Ausdifferenzierung, aber die pauschale Einteilung in „volljährig“ und „minderjährig“ finde ich furchtbar.
Beitrag von V.H. am 30.07.2004
Glaubst Du wirklich, dass es Kindern um die Diskussion solcher Begrifflichkeiten geht oder dass damit irgendwelche real greifbaren Diskriminierungen einhergehen?
Beitrag von C.M. am 30.07.2004
"Es ist absurd, einem Menschen bis zu einem bestimmten Stichtag kaum einen Spielraum an Autonomie zuzubilligen, um ihn dann über Nacht als reif und eigenverantwortlich anzusehen." Ganz so ist es ja nicht, deswegen wird ja z.B. auch bei Gerichtsverhandlungen mit jungen Erwachsenen bzw. Jugendlichen Straftätern immer ein Bericht der Jugendhilfe abgewartet, um zu entscheiden, welches Strafrecht angewandt wird.
Zum Anderen, wenn du diese Grenzen abschaffen willst, gäbe es Chaos. Der eine wird dann so empfunden, dass er mit 16 den Führerschein machen darf, der andere erst mit 21. Tatsächlich wäre dies zwar manchmal so notwendig, jedoch würde daraus schnell ein willkürliches System entstehen ...
Beitrag von S.K. am 31.07.2004
Zu Victoria:
Mir geht es nicht darum, auf Begrifflichkeiten herumzureiten. Mir geht es um die grundsätzliche Einstellung gegenüber Kindern. Viele Erwachsene nehmen Kinder nicht ganz für voll, und das schlägt sich eben auch in der Sprache nieder. Sprache und Wortwahl wurden seit jeher benutzt, um unterschwellige Wertungen bzw. Abwertungen auszudrücken. Das sollte man nicht unterschätzen. Ich meine, der Begriff „minderjährig“ drückt eine enorme unterschwellige Geringschätzung aus nach dem Motto: Kinder braucht man nicht ernst zu nehmen, sie zählen noch nicht. Das ist auch eine Form von Diskriminierung. Natürlich ist es damit nicht getan, aber die Abschaffung der Begriffe „volljährig“ und „minderjährig“ könnte eine gewisse Symbolwirkung haben. Es wäre ein Appel an die Erwachsenen, Kinder endlich etwas ernster zu nehmen. Dann wäre es auch viel einfacher, andere konkrete kinderrechtliche Verbessserung durchzusetzen. Irgendwo muss man anfangen, auch symbolhafte Schritte können eine große Wirkung nach sich ziehen.
Deshalb: Ab in die sprachgeschichtliche Mottenkiste mit diesen beiden Unwörtern! Es gibt bessere und würdigere Möglichkeiten.
Beitrag von S.K. am 31.07.2004
Zu Christian:
Ich will nicht sämtliche Altersgrenzen abschaffen. Ein willkürliches System möchte ich auch nicht. Aber mehrere „kleine“ Altersgrenzen wären sinnvoller als eine pauschale „große“. Es gibt zwar einige zusätzliche Abstufungen, aber viel zu wenige. Man müsste sehr viel genauer ausdifferenzieren, dann bräuchte man die "Minderjährigkeit" gar nicht mehr. Vorschläge hätte ich viele, sie würden aber den Rahmen des Forums sprengen. Die Gefahr eines Chaos sehe ich nicht, nur das Familienrecht im BGB würde ein wenig komplizierter werden. Das sollte uns die Fairness gegenüber den Kindern aber wert sein. Mit nur einer großen „Schallgrenze“ machen es sich die Familienrechtler zu einfach und zu bequem. Das Erwachsenwerden ist ja ein aufeinander aufbauender Entwicklungsprozess. Deshalb ist die "Volljährigkeits"-Grenze ja auch so entsetzlich wirklichkeitsfremd. Die rigorose Unterteilung der Menschen in „Volljährige“ und „Minderjährige“ ist für mich nur eine engstirnige und fantasielose Fiktion der Juristen. Mehrere abgestufte einzelne Altersgrenzen entsprächen der Realität viel eher als der schlagartige Eintritt der „Volljährigkeit.“ Die Jugendlichen könnten so viel besser lernen, mit einem allmählich wachsenden Spielraum an Eigenverantwortung zurechtzukommen Der Ausdruck „Volljährigkeit“ beinhaltet außerdem eine gewisse Selbstverherrlichung der Erwachsenen. Er vermittelt den Eindruck, ein „Volljähriger“ hätte rundherum ausgelernt und bräuchte sich nicht mehr weiterzuentwickeln.
Beitrag von V.H. am 07.08.2004
Wenn Du Kinder fragst, werden sie sagen, sie wollen länger in die Disco, wollen ins Internetcafé usw. Sie werden bestimmt nicht in den Begrifflichkeiten die Probleme sehen. Das ist die typische Sichtweise des "erwachsenen Kinderrechtler", der die Probleme auf eine abstrakte Ebene zieht, für die sich die Kinder selber überhaupt nicht interssieren.
Beitrag von H. am 06.09.2004
Wer sagt überhaupt, daß es schädlich ist, wenn Kinder irgendetwas nicht dürfen und ein paar Jahre darauf warten müssen?
Beitrag von S.K. am 07.09.2004
>> Wer sagt überhaupt, daß es schädlich ist, wenn Kinder irgendetwas nicht dürfen und ein paar Jahre darauf warten müssen? <<
Diese Aussage finde ich sehr vordergründig. Worauf willst Du konkret hinaus?
Im Übrigen habe ich die Notwendigkeit bestimmter Altersgrenzen nicht bestritten. Mir will nur nicht in den Kopf, warum man Kinder zusätzlich noch als „minderjährig“ bezeichnen muss. Solche abwertenden Titulierungen halte ich für völlig überflüssig und kinderfeindlich.